
Essstörungen sind komplexe psychische Erkrankungen, die durch verschiedenste biologische, psychologische und soziale Faktoren beeinflusst werden. Während sie in der gesamten Gesellschaft vorkommen, zeigen Studien, dass LGBTIQ*-Personen überdurchschnittlich häufig betroffen sind.
Doch warum ist das so? Und wie kann diesen Menschen gezielt geholfen werden?
Höheres Risiko für Essstörungen in der LGBTIQ*-Community:
Queere Menschen stehen häufig unter einem besonderen sozialen und emotionalen Druck. Viele wachsen in einem Umfeld auf, das ihre Identität nicht versteht oder ablehnt. Dies kann dazu führen, dass sie früh lernen, sich anzupassen, um Ablehnung zu vermeiden und das ist ein Faktor, der unter anderem auch bei der Entwicklung von Essstörungen eine Rolle spielen kann.
Einige spezifische Herausforderungen für LGBTIQ*-Personen sind:
Diskriminierung und Minderheitenstress: Anhaltender Stress durch gesellschaftliche Ablehnung oder Diskriminierung kann zu einem gestörten Essverhalten beitragen.
Selbstwertprobleme: Ein negatives Selbstbild, das oft durch gesellschaftliche Schönheitsideale verstärkt wird, kann das Risiko für Essstörungen erhöhen.
Identitätskonflikte: Die Auseinandersetzung mit der eigenen sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität kann zu Ängsten und Unsicherheiten führen, die mit Essstörungen kompensiert werden.
Körperbild und Geschlechtsdysphorie: Besonders trans und nicht-binäre Menschen leiden oft unter der Diskrepanz zwischen ihrem äußeren Erscheinungsbild und ihrer Geschlechtsidentität. Manche versuchen, durch kontrolliertes Essen ihren Körper zu verändern oder unterdrücken ihre Bedürfnisse, um sich von ihrem Körper zu distanzieren.
Besondere Herausforderungen in der Behandlung:
Obwohl LGBTIQ*-Personen ein höheres Risiko für Essstörungen haben, erhalten sie oft nicht die Hilfe, die sie benötigen. Viele Therapieangebote sind nicht auf ihre spezifischen Bedürfnisse ausgerichtet, und manche Betroffene haben Angst, in medizinischen oder therapeutischen Settings nicht akzeptiert zu werden.
Ein sensibler Behandlungsansatz sollte daher beinhalten:
Queerfreundliche Therapieangebote: Therapeut:innen sollten für die spezifischen Herausforderungen von LGBTIQ*-Personen sensibilisiert sein.
Inklusion in Forschung und Behandlung: Bis heute sind viele Studien zu Essstörungen auf cis-heteronormative Gruppen ausgerichtet. Es braucht mehr Forschung und Angebote, die die Diversität der Betroffenen berücksichtigen.
Community-Unterstützung: Selbsthilfegruppen und queere Netzwerke können eine wertvolle Stütze sein und das Gefühl der Isolation verringern.
Ein Blick auf aktuelle Daten:
Bezugnehmend auf den aktuellsten österreichischen Gesundheitsbericht zeigt sich in den Ergebnissen, dass LGBTIQ*-Personen ihren Gesundheitszustand deutlich schlechter einschätzen als die Bevölkerung im Durchschnitt. Besonders auffallend ist dieser Unterschied bei den 15- bis 29-Jährigen (Gaiswinkler et al. 2023, S.30).
68% der Cis-Patient:innen gaben an, dass sie im Allgemeinen eine „sehr gute“ oder „gute“ Gesundheit haben, während 7% dieser Gruppe die Frage mit „schlecht“ bzw. „sehr schlecht“ beantworteten.
Eine „sehr gute“ oder „gute“ Gesundheit wurde von 58% der inter* Personen angegeben, ein Drittel beurteilte sie als „mittelmäßig“ und 8% als „schlecht“.
Etwas weniger als die Hälfte der trans (45%) bzw. der nicht-binären (43%) Personen bewerteten ihren Gesundheitszustand als „gut“ bis „sehr gut“, wobei jeweils 18% der beiden Gruppen eine „schlechte“ bzw. „sehr schlechte“ Gesundheit angaben.
Hinsichtlich der sexuellen Orientierung gaben 71% der schwulen und lesbischen Teilnehmer:innen ihren Gesundheitszustand mit „gut“ oder „sehr gut“ an, während etwa die Hälfte der bi-/pansexuellen Personen (51%) bzw. der queeren Personen (47%) dies nicht taten.
Der Gesundheitszustand wurde von 8% der lesbischen, 6% der schwulen, 13% der bi-/pansexuellen Teilnehmenden und 17% der queeren als „schlecht“ oder „sehr schlecht“ eingestuft (Gaiswinkler et al. 2023, S. 36).
Unterrepräsentierte Gruppen sind verschiedenen Belastungen ausgesetzt, darunter Diskriminierung, Mobbing und Gewalt, die sich negativ auf ihre psychische und physische Gesundheit auswirken können. Diese Belastungen führen oft zu Stress, verringerter Selbstakzeptanz und Einsamkeit. Zudem haben sie ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen, Substanzkonsum und bestimmte körperliche Erkrankungen. Hinzukommend sind sie spezifischen Stressfaktoren wie Minderheitenstress, Stigmatisierung und Selbststigmatisierung (internalisierte Homo- und Transnegativität), Vorurteilen und Diskriminierung ausgesetzt, die Cis-Personen in der Regel nicht erleben. Diese Stressoren können zu einem erhöhten Risiko für Essstörungen, Depressionen, Angststörungen und Suizidgedanken führen (Gaiswinkler et al. 2023, S. 91).
Daraus lässt sich folgendes schlussfolgern...
Die Verbindung zwischen LGBTIQ+ und Essstörungen ist kein Zufall, sondern das Ergebnis gesellschaftlicher Strukturen, die queere Menschen vor besondere Herausforderungen stellen. Umso wichtiger ist es, dass sowohl Fachkräfte als auch die Gesellschaft insgesamt ein Bewusstsein für dieses Thema entwickeln und queeren Betroffenen die Unterstützung bieten, die sie verdienen.
Ich kann kaum in Worte fassen, wie außergewöhnlich es sich anfühlt, mich endlich selbst genug zu lieben, um mein wahres Ich zuzulassen. Ich wurde von so vielen aus der Trans-Community unendlich inspiriert. - Elliot Page
Du bist nicht allein!
Egal, wo du gerade stehst, du bist wertvoll, genau so, wie du bist.
Dein Körper, deine Identität, deine Geschichte: Sie verdienen Respekt und Fürsorge.
Wenn du mit einer Essstörung oder anderen Herausforderungen kämpfst, gibt es Menschen, die dich verstehen und unterstützen möchten. Du hast das Recht, Hilfe zu suchen und dich in deinem Körper wohlzufühlen. Bleib dir selbst gegenüber mitfühlend.
Du bist es wert. ❤️
Literatur: Gaiswinkler, S., Pfabigan, J., Pentz, R., Teufl, L., Winkler, R. & Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK). (2023). LGBTIQ+-Gesundheitsbericht 2022. In www.sozialministerium.at. Abgerufen am 30. Januar 2025, von https://www.gesundheit.gv.at/news/aktuelles/aktuell-2023/LGBTIQ-gesundheitsbericht.html
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